Wer derzeit in die Vorstatt in Wißgoldingen einbiegt, erlebt täglich eine Veränderung des Ortsbildes: Das einstige Gasthaus „Löwen“ gegenüber der Kirche wird abgerissen. Viele Jahre war es ungenutzt und alsbald zu einer Bauruine geworden. Nach langjährigen Verhandlungen wurde es der Gemeindeverwaltung im Dezember 2019 endlich möglich, das Anwesen zu erwerben. Vor kurzem starteten die Abrissarbeiten. Danach könnten dort unter anderem eine betreute Senioreneinrichtung sowie Wohnungen für Familien entstehen. Die Gemeinde, so Schultes Michael Rembold, baut dabei auf die Mitwirkung der Bürgerschaft und des neuen Dorfvereins.

„Das Löwen-Gebäude war markant für Wißgoldingen, es ist so viel dort passiert“, blickt Ortsvorsteherin Monika Schneider wehmütig auf die Ruine. „Es tut ein bißchen weh für Wißgoldingen – es war eine Historie. Doch jetzt ist eine Nutzung nicht mehr gegeben.“ Als nächstes würden Wohnungsbauunternehmen und Bauträger angesprochen, beschreibt der Waldstetter Schultes das weitere Vorgehen. „Dank unserer jahrelangen Vorbereitung fließen in das Bauvorhaben zudem Mittel aus dem Fördertopf ländlicher Raum ein“, freut sich Kämmerer Gerhard Seiler.
Sehr gut erinnert sich Ortsbaumeisterin Maren Zengerle an ihren ersten Besuch in der Bauruine: „Ich war erstaunt, mit welch großer Vorsicht es zu betreten war. Überall hatten in den vergangenen Jahrzehnten Umbauarbeiten stattgefunden ohne Miteinbeziehung von Stützen, wodurch das Gebäude sehr baufällig wurde.“ Es sei in sich verbaut und berühre das Nachbargebäude. „Was jetzt wiederum zu Schwierigkeiten beim Abbruch führt“, fügt sie an.

Ein Blick in die Geschichte des Gasthauses: Das Gebäude „Löwen“ gibt es in seiner jetzigen Ansicht seit 1908. Der Vorgängerbau brannte im November 1906 ab und wurde 1908 durch das jetzige Gebäude mit seinerzeit Saal, Schlachthaus und Metzgereiladen ersetzt. Der „Löwen“ war die zweitälteste Wirtschaft in Wißgoldingen. Ganz früher befand sich dort eine Bäckerei. Ab 1835 wurde statt dieser eine Art Wirtschaft eingerichtet, in der zuerst nur Branntwein ausgeschenkt wurde und später dann auch Bier. Eigentümer war seit 1897 die Familie Blessing. Ende der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts entwickelte sich der „Löwen“ unter Walter und Kreszentia Blessing zu einer sehr guten und beliebten Gaststätte mit Metzgerei. Im Saal, der bis zu 180 Gäste fasste, fanden Hochzeiten sowie Tanz- und Theaterveranstaltungen statt. Die Gastwirtschaft wurde im Oktober 1974 offiziell geschlossen, bis ins Jahr 2002 fanden jedoch sonntags noch Stammtische statt. Die Metzgerei wurde bis 1981 betrieben, als Walter Blessing im Alter von 72 Jahren plötzlich verstarb. Die Töchter der 2002 verstorbenen Kreszentia Blessing verkauften das Anwesen im Jahr 2006. Dreizehn Jahre später – im Dezember 2019 – konnte die Gemeinde den „Löwen“ erwerben.